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Lehrjahre sind keine Herrenjahre! – Wenn der Arbeitstag mit Übelkeit beginnt

Es gibt einen alten Spruch: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre.“ Klingt weise, klingt bodenständig – und wurde über Jahrzehnte genutzt, um Auszubildende kleinzuhalten. Wer heute in ein Handwerk, einen kaufmännischen Beruf oder in die Industrie einsteigt, soll oft immer noch „erstmal spuren“. Doch was, wenn die Ausbildung statt mit Neugier und Lernlust mit Respektlosigkeit, mangelnder Wissensvermittlung und Demütigung verbunden ist?

Wenn der Arbeitstag nicht mit Kaffee, sondern mit Übelkeit und Bauchschmerzen beginnt?

Ausbildung oder Ausnutzung?

Natürlich gehört zu einer Ausbildung auch Fleißarbeit. Hof fegen, Lager aufräumen, mal eben Botengänge erledigen – das ist Teil des Ganzen. Aber: Es ist nicht die Hauptaufgabe.

Ein Ausbildungsbetrieb hat eine klare Pflicht: Er muss ausbilden. Und das bedeutet: Wissen vermitteln, fachliche Fähigkeiten aufbauen, begleiten, Feedback geben, auf Prüfungen vorbereiten. Wer seine Azubis nur zum „Putzkommando“ degradiert, verstößt gegen das Berufsbildungsgesetz (BBiG).

Rechte und Pflichten: ein schneller Überblick

Pflichten des AusbildungsbetriebsPflichten des Azubis
Ausbildung sicherstellen: Azubis müssen alle Inhalte lernen, die im Ausbildungsrahmenplan stehen.
Respektvoller Umgang: Ausbilder:innen sind verpflichtet, ihre Azubis nicht herabzuwürdigen oder zu schikanieren.
Schutz und Fürsorge: Arbeitszeiten, Pausen, Urlaub und Jugendarbeitsschutzgesetz müssen eingehalten werden.
Ausbildungsnachweis: Der Betrieb muss die sachgerechte Führung des Berichtshefts ermöglichen und regelmäßig prüfen.
Lernbereitschaft zeigen, aktiv mitarbeiten und das Berichtsheft führen.
Anweisungen befolgen, solange sie im Rahmen der Ausbildung liegen.
Schulpflicht: Die Berufsschule ist ein Pflichtteil der Ausbildung.

Alles andere – Dauerputzen, respektloses Anschreien, systematische Missachtung – gehört nicht dazu.

Wenn die Ausbildung krank macht: Was Azubis tun können

Viele Azubis wissen nicht, dass sie nicht machtlos sind. Hier ein Überblick über Anlaufstellen und Möglichkeiten:

Ausbildungsberater der Handwerks- oder Industrie- und Handelskammer (IHK/HWK)
Offizielle Ansprechpartner, die sogar den Betrieb kontrollieren können.
Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV)
In größeren Betrieben die erste Adresse. Wenn es sie gibt, sollte man sie nutzen.
Betriebsrat oder Personalrat
Unterstützt bei Konflikten und kann vermitteln.
Gewerkschaften (z. B. ver.di, IG Metall, IG BCE, NGG)
Bieten Rechtsschutz, Beratung und Unterstützung bei Missständen.
Innungen und Fachverbände
Gerade im Handwerk eine oft vergessene, aber extrem wichtige Anlaufstelle.
Jugendberatungsstellen der Kommunen / Jugendamt
Auch diese können bei Ausbildungsproblemen vermitteln.
Ärztliche Unterstützung
Wenn psychische oder körperliche Symptome auftreten, ist ein Arztbesuch Pflicht – nicht nur für die Gesundheit, sondern auch als Dokumentation.

Und was ist mir der Frau Mama und Herrn Papa?

Eltern sind im Ausbildungsalltag oft die unterschätzten Verbündeten. Auch wenn Azubis rechtlich gesehen erwachsen und eigenständig sind, haben Mütter und Väter eine wichtige Rolle – nicht als Kontrolleure, sondern als Unterstützer und „Verstärker“.

Das direkte Gespräch suchen

Eltern können gemeinsam mit dem Azubi ein klärendes Gespräch anstoßen – zuerst mit dem direkten Ausbilder, notfalls mit der Geschäftsführung oder der Personalabteilung. Wichtig ist, dass das Gespräch vorbereitet ist:

Konkrete Beispiele nennen („Mein Kind durfte seit drei Wochen keine fachlichen Tätigkeiten übernehmen, sondern nur fegen.“)

  • Rahmenbedingungen ansprechen (Arbeitszeiten, Pausen, Umgangston).
  • Gesprächsprotokoll führen, damit die Absprachen nachvollziehbar bleiben.
  • In vielen kleinen Betrieben wird ein Problem plötzlich ernster genommen, wenn Eltern als dritte Partei am Tisch sitzen.

Externe Stellen einschalten

Wenn Gespräche nichts bewirken, können Eltern gemeinsam mit dem Azubi externe Stellen einbeziehen:

🔨 Industrie- und Handelskammer (IHK) oder Handwerkskammer (HWK) – hier gibt es Ausbildungsberater, die auch Betriebe überprüfen und bei Pflichtverletzungen eingreifen können.

👩🏻‍🚒 Innungen oder Fachverbände – speziell im Handwerk oft erste Ansprechpartner.

😎 Jugendberatungsstellen oder Jugendamt – wenn die Belastung so stark ist, dass die Ausbildung zur gesundheitlichen Gefahr wird.

Lehrjahre sind keine Herren Jahre

Viele Azubis scheuen diesen Schritt, weil sie „keinen Ärger“ machen wollen. Eltern können hier unterstützen, indem sie klarstellen: Es geht nicht um Ärger, sondern um klare Ausbildungsqualität.

Rechtliche Schritte vorbereiten

Wenn der Ausbildungsbetrieb seine Pflichten massiv verletzt (keine Wissensvermittlung, dauerhafte Schikanen, wiederholte Verstöße gegen das Jugendarbeitsschutzgesetz), können Eltern helfen, rechtliche Schritte einzuleiten. Dazu gehört:

Kontakt zu einer Gewerkschaft (z. B. IG Metall, ver.di, NGG). Diese bieten Rechtsberatung und Rechtsschutz.

Beratung durch die Agentur für Arbeit: Diese hilft nicht nur bei Neuvermittlung, sondern kann auch in Streitfällen vermitteln.

Bei Minderjährigen: Eltern können auch formal im Namen ihres Kindes auftreten, da sie sorgeberechtigt sind.

Den Blick weiten – Plan B ermöglichen

Eltern können helfen, die Perspektive offenzuhalten:

➡️ Wechsel des Betriebs prüfen (die bisherige Ausbildungszeit kann in der Regel angerechnet werden).

➡️ Alternative Ausbildungsgänge oder Umschulungen gemeinsam mit der Agentur für Arbeit durchsprechen.

➡️ Den Azubi mental entlasten: Es ist keine „Schwäche“, einen schlechten Betrieb zu verlassen, sondern ein Zeichen von Selbstschutz.

Elternuntzerstützung

👉 Kurz gesagt: Eltern sind keine „lästigen Mitläufer“, sondern wichtige Stellschrauben, wenn eine Ausbildung entgleist. Sie können moderieren, Druck aufbauen, externe Hilfe aktivieren und den Rücken stärken. Für viele Azubis ist das der entscheidende Unterschied zwischen Durchhalten in unhaltbaren Zuständen – oder eine echte Chance, die Ausbildung sinnvoll weiterzuführen.

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

„Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ – ein Spruch, der eigentlich Disziplin und Lernbereitschaft betonen sollte. In der Praxis wird er jedoch oft missbraucht, um fehlende Ausbildung, Respektlosigkeit und Überlastung zu rechtfertigen. Statt eine solide Basis für die Zukunft zu schaffen, erleben viele Azubis ihre Lehrjahre als Phase des Durchhaltens. Das ist nicht nur unfair, sondern auch kurzsichtig: Wer den Nachwuchs vergrault, schadet letztlich dem eigenen Betrieb.

Lehrjahre sind kein Bootcamp

Fazit

Ausbildung darf anstrengend sein, aber sie darf nicht krank machen. Respektlosigkeit, fehlende Wissensvermittlung und reine Ausnutzung sind kein „harter Einstieg ins Leben“, sondern ein Bruch des Ausbildungsvertrags.

Azubis haben Rechte, Eltern haben Mitspracherechte, und Betriebe haben Pflichten.
Und wer das vergisst, sollte sich nicht wundern, wenn die nächste Generation irgendwann lieber woanders ihre Zukunft baut – nur nicht mehr in diesem Betrieb.

Gedankenkraft

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