Quality Engineer: Ich bin weder dein Feind noch der Instandhalter oder Betriebsrat!
Willkommen im Club der Missverstandenen
Kennst du dieses Szenario? Du sitzt in der Kantine, willst eigentlich nur in Ruhe dein Brötchen essen, und plötzlich setzt sich jemand neben dich und sagt: „Du, Rika, die Maschine X hat schon wieder Mucken – kannst du da mal gucken?“
Ähm, nein. Ich bin Quality Engineer, nicht McGyver.
Genau so läuft’s aber oft. Sobald irgendwo in der Produktion ein Problem auftaucht, scheinen alle Augen auf den Quality Engineer gerichtet. Fast so, als wären wir die heimlichen Superhelden der Fabrik. Leute, ich sag’s euch gleich: Ich bin nicht Batman, den Scheinwerfer sucht ihr umsonst. (Übrigens, auch nicht Iron Man.)
Ich sehe meinen Job eher wie den Google Translater zwischen Normen, Prozessen, Kunden und der Realität auf dem Shopfloor.
Und damit willkommen zu einer ehrlichen, manchmal humorvollen, manchmal auch gnadenlos klaren Reise in die Welt der Quality Engineers.
Missverständnisse: Wer wir sind – und wer wir nicht sind
Lass mich direkt mit ein paar Irrtümern aufräumen. Denn wenn man mich am Fließband sieht, dann ist das kein geheimes Zeichen dafür, dass ich gleich einen Schraubenschlüssel ziehe.
Ich bin nicht dein Feind
Es mag manchmal so wirken, als würde ich nur darauf warten, Fehler zu finden. Aber nein – mein Ziel ist nicht, dir den Arbeitstag zu versauen oder deine Leistung kleinzureden. Ganz im Gegenteil: Mein Ziel ist es, dich und dein Team zu unterstützen, damit ihr weniger Stress, weniger Reklamationen und mehr Erfolg habt.
Ich bin nicht der Instandhalter
Wenn die Maschine quietscht, tropft oder Funken schlägt – rufe ich ganz sicher nicht den Geist von Nikola Tesla herbei. Dafür gibt es die Instandhalter. Die haben Öl, Werkzeug und das Wissen, eine Maschine wieder zum Schnurren zu bringen. Ich? Ich dokumentiere eher, wann, wie oft und warum sie ausfällt, damit wir ein Muster erkennen.
Ich bin nicht der Betriebsrat
Ja, ich rede mit vielen. Ja, ich höre zu. Aber nein: Ich kümmere mich nicht um Kantinenpreise, Schichtpläne oder Urlaubstage. Ich kümmere mich um die Qualität – und das ist mehr als genug Arbeit.
Was macht ein Quality Engineer eigentlich?
Viele stellen sich meinen Job so vor: ein Büro voller Normenordner, Excel-Tabellen bis zum Abwinken und gelegentlich ein Besuch in der Halle, um mit strengem Blick Fehler zu notieren.
Ein kleines Stück Wahrheit ist da drin – aber das Bild ist unvollständig.
Prozesswächter mit Adleraugen
Ich überprüfe, ob Prozesse und Produkte liefern, was sie sollen. Klingt simpel, ist aber komplex. Es bedeutet: Anforderungen verstehen, mit allen Beteiligten sprechen, Daten sammeln, analysieren, Schlüsse ziehen und dann wieder kommunizieren.

Schnittstellen-Jongleur
Ich arbeite mit der Entwicklung, der Produktion, dem Einkauf, dem Vertrieb und dem Management zusammen. Jeder redet seine eigene Sprache, und meine Aufgabe ist es, Missverständnisse zu verhindern.
Fehlersucher und Verbesserer
Finde ich Fehler, dann bewerte ich sie mit euch. Gemeinsam überlegen wir, wie wir sie abstellen können. Ich bin also Teil des KVP – Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, manchmal auch Lean Coach, manchmal Agile-Mentor.
Ein Fehler – was ist das überhaupt?
Hier wird’s spannend. Fehler klingt so eindeutig – ist er aber nicht.
Laut ISO 9000 heißt Fehler (oder „Nichtkonformität“): Eine Anforderung wird nicht erfüllt. Punkt. Klingt klar, oder?
Praktische Beispiele?
- Die Schraube ist zu kurz.
- Der Lack ist anders als bestellt.
- Die Verpackung hat nicht die geforderte Stabilität.

Alles eindeutig. Aber dann gibt’s die Grauzonen: subjektive Fehler.
Alles erfüllt die Spezifikation – und trotzdem meckert der Kunde. „Die Farbe sieht aber anders aus.“ „Das Material fühlt sich billig an.“ Willkommen in der Welt der Wahrnehmung.
Wann ist ein Fehler ein Fehler?
Das ist die Königsfrage.
Ein Fehler ist da, sobald etwas anders ist als vereinbart. Ob es den Prozess, das Produkt oder das Auge des Kunden betrifft. Manchmal sind Fehler unsichtbar, zum Beispiel Prozessabweichungen, die erst später Auswirkungen haben.
„Jede Abweichung ist eine Veränderung gegenüber dem Soll-Zustand, aber nicht jede Abweichung stellt automatisch einen Fehler dar.“
In der Qualitätssicherung wird eine Abweichung zunächst wertneutral betrachtet: Sie signalisiert lediglich, dass etwas nicht exakt der Vorgabe entspricht. Ob daraus ein Fehler wird, hängt vom Kontext ab. Während Fehler grundsätzlich eine negative Abweichung darstellen, die korrigiert werden muss, können andere Abweichungen durchaus sinnvoll oder sogar notwendig sein – etwa wenn sie Verbesserungen, Optimierungen oder innovative Lösungen ermöglichen.
Wichtig bleibt: Nicht jeder Fehler stoppt sofort die Produktion. Aber jede Abweichung sollte bewusst geprüft werden – denn sie ist immer ein Hinweis darauf, genauer hinzuschauen.

Quality Engineer = Übersetzer, Coach, Analyst
Ein Quality Engineer ist im Kern ein Übersetzer. Ich übersetze Normen, Kundenvorgaben und interne Prozesse in eine Sprache, die Produktion und Management verstehen – ohne, dass jemand einschläft.
- Ich bringe Klarheit in Dokumente, die sonst nur Juristen oder Auditoren entziffern könnten.
- Ich helfe dabei, Ursachen zu finden – mit Werkzeugen wie Ishikawa-Diagrammen, 5-Why-Analysen oder FMEA.
- Ich motiviere Teams, nicht nur Fehler abzustellen, sondern Fehlerursachen zu beseitigen.
Und ganz wichtig: Ich mache das, ohne Schuldige zu suchen. Fehlerkultur bedeutet, dass man nicht den Schuldigen jagt, sondern die Ursache.
Der Alltag eines Quality Engineers: Zwischen Excel und Shopfloor
Damit du mal ein Gefühl bekommst, hier ein typischer Tag von mir:
- Morgens: Mail-Flut. Reklamationen, interne Meldungen, Lieferantenhinweise. Ich filtere, priorisiere und leite die wichtigsten Themen an die richtigen Stellen weiter.
- Vormittags: Shopfloor-Runde. Ich schaue mir aktuelle Probleme an, spreche mit Schichtleitern, frage nach, höre zu.
- Mittags: Ursachenanalyse. Daten auswerten, Trends erkennen, Maßnahmen vorschlagen.
- Nachmittags: Meetings mit Management oder Kunden. Diskussionen über Qualitätskennzahlen, Kosten von Fehlern, Strategien.
- Abends: Dokumentation. Alles festhalten, damit es nachvollziehbar bleibt.
Und dann klingelt vielleicht doch noch jemand: „Die Maschine quietscht… kannst du mal?“
Werkzeuge des Quality Engineers
Einige Methoden und Tools, die wir ständig nutzen:
- 8D-Report: Acht Schritte zur strukturierten Problemlösung.
- Ishikawa-Diagramm: Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge sichtbar machen.
- 5-Why-Analyse: Tief graben, bis die Wurzel gefunden ist.
- FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse): Risiken im Voraus einschätzen.
- SPC (Statistische Prozesskontrolle): Daten auswerten, Abweichungen früh erkennen.
Klingt trocken, ist aber der Werkzeugkasten, mit dem wir Fehler nicht nur finden, sondern dauerhaft beseitigen können.
Missverständnis Nr. 1: Wir sind Kontrolleure
Missverständnis Nr. 2: Wir bremsen den Laden aus
Viele glauben, Quality Engineers stehen nur mit Klemmbrett daneben und warten, bis jemand Mist baut. Nein. Ich bin nicht die Polizei der Produktion. Ich bin Coach. Ich bin Unterstützer. Ich bin Teil des Teams.
„Oh nein, da kommt der Quality Engineer, jetzt dauert alles doppelt so lange!“ – Falsch.
Ja, ich frage nach. Ja, ich will dokumentieren. Aber das Ziel ist: langfristig Zeit sparen, weniger Nacharbeit, weniger Stress.
Missverständnis Nr. 3: Wir sind unantastbare Normen-Gurus
Missverständnis Nr. 4: Wir sind die Qualitäts-Alleinunterhalter
ISO, VDA, IATF – wir kennen sie, wir brauchen sie. Aber wir sind nicht die Normen-Bibel auf zwei Beinen. Wir müssen sie übersetzen, anwenden, mit Leben füllen.
Viele glauben, Qualität liegt komplett in der Verantwortung des Quality Engineers.
Das ist falsch – und brandgefährlich.
Die Rolle im Team: Partner statt Gegner
Ein guter Quality Engineer ist nicht der Besserwisser im Büro. Er ist der Partner, der mit dir nach Lösungen sucht.
Wir stellen Fragen, die nerven können. Aber genau diese Fragen verhindern, dass dieselben Fehler immer wieder passieren.
Fehler als Chance – nicht als Katastrophe
Fehler sind keine Endstation. Sie sind Lernmomente.
- Jeder Fehler zeigt, dass ein Prozess nicht robust genug ist.
- Jeder Fehler gibt die Möglichkeit, besser zu werden.
- Jeder Fehler ist ein Investment in Erfahrung.

Und genau das ist die Essenz der Fehlerkultur.
Fazit: Quality Engineers sind Verbündete
Ein Quality Engineer ist weder Feind noch Ersatz-Instandhalter noch Betriebsrat.
➡️ Wir sind Partner.
➡️ Wir sind Übersetzer.
➡️ Wir sind Prozessverbesserer.
Fehler im Prozess sind wie Kaffeeflecken auf dem Hemd: nervig, manchmal peinlich, aber behebbar – und mit dem richtigen Bewusstsein seltener.
Also: Beim nächsten Mal, wenn du einen Quality Engineer siehst, denk nicht „Oh nein“. Denk lieber: „Ah, ein Verbündeter!“
Und dann holt euch zusammen einen Kaffee. 😉